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NBA32: (Nicht) agile Ausschreibungen der öffentlichen Hand

Thomas Podcast

Shownotes

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Letzte Folge NBA31: Shuhari

NBA26: Im Gespräch: Thomas Michl - Agile Verwaltung

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Zusammenfassung

In dieser Folge teilt Thomas seine Erfahrungen mit öffentlichen Ausschreibungen, die er als chaotisch und lieblos empfindet. Er kritisiert den Mangel an Klarheit und Zielorientierung in den Dokumenten und stellt fest, dass oft widersprüchliche Angaben gemacht werden. Der Vergleich zwischen Ausschreibungen im öffentlichen Sektor und der Privatwirtschaft zeigt, dass es im Privatsektor häufiger ein höheres Maß an Motivation und Sorgfalt gibt.

Besonders ärgerlich findet Thomas die falsche Verwendung des Begriffs "agiles Projektmanagement", der in einigen Ausschreibungen auftaucht, aber ohne echtes Verständnis für Agilität. Seiner Meinung nach wären agile Methoden ideal für komplexe Projekte, aber diese werden selten in der Praxis eingesetzt.

Er schließt die Folge mit einem positiven Beispiel ab, bei dem eine Ausschreibung tatsächlich auf Agilität setzt und klare Ziele sowie agile Prinzipien verfolgt.

Transkript

 

Hallo und herzlich willkommen bei No Bullshit Agile. Mein Name ist Thomas. Ich bin Teil eines agilen Teams und bespreche jede Woche Themen aus der agilen Projektwelt. Dabei orientiere ich mich an den großen Kategorien: Menschen, Teams, Kunden, Projekte und Agilität. Mein Fokus liegt dabei auf der Praxis, daher eben auch der Name No Bullshit Agile.

In der letzten Folge habe ich über Shu Ha Ri gesprochen. Wenn du das nicht kennst und es dich interessiert, und wenn du lernen willst, was dir das bei Agilität helfen kann, hör dir die Folge gerne an. Der Link dazu ist in den Shownotes.

Das hier ist Folge 32, und heute geht es um Ausschreibungen der öffentlichen Hand. Ich habe da die Woche wieder ein paar Erfahrungen gemacht. Macht euch auf einen Rant gefasst, aber es gibt auch einen Lichtblick am Ende der Folge.

Ja, was ist die Situation? Wir nehmen eigentlich ungern an Ausschreibungen teil, aber ab und zu tun wir es trotzdem – und noch ungerner an Ausschreibungen der öffentlichen Hand. Aber wir haben gerade eine, an der wir arbeiten. Ziemlich großes Projekt, zumindest für unser Verhältnis. Ich will die Situation nutzen, um mal einen subjektiven Blick auf die öffentliche Hand zu geben. Das ist natürlich alles nur meine Erfahrung, und vor allem geht es mir um das agile Vorgehen – also so einen kleinen "State of the Nation", wenn ihr das so wollt, aus meiner ganz persönlichen Sicht.

Ausschreibungen im Allgemeinen

Ich verstehe schon, dass Dinge ausgeschrieben werden müssen. Da habe ich überhaupt nichts dagegen. Das finde ich vollkommen okay. Aber in dieser ganz konkreten Ausschreibung – und in vielen anderen ebenfalls – ist das Niveau wirklich unter aller Sau. Zusammengewürfelte Unterlagen, die sich teilweise widersprechen, wenig konkrete Informationen und vor allem wenig Gedanken darüber, was eigentlich das Ziel dieses Projektes ist, was dabei am Ende herauskommen soll. Es geht oft um kleine Details, aber dann auch wieder völlig unspezifisch. Wie gesagt: widersprüchliche Angaben. Die Ausschreibung wirkt, als sei sie mit heißer Nadel gestrickt worden. Es steckt einfach keine Liebe drin.

Ich gewinne den Eindruck, dass das Projekt dem Auftraggeber nicht wirklich wichtig ist. Niemand hat sich hingesetzt und gesagt: "Okay, wir haben hier eine große Chance, wir können jetzt Dinge verändern." Stattdessen hat jemand seinen Job gemacht, aber ohne wirkliche Hingabe. Leider ist das oft meine Erfahrung mit der öffentlichen Hand. Im privaten Sektor kenne ich das so nicht. Da sind die Leute motiviert, holen das Beste raus, weil sie das Projekt für wichtig halten. Und das sieht man auch schon an der Ausschreibung.

Öffentliche Hand vs. Privatsektor

In der öffentlichen Hand ist es leider oft so: Jemand stöpselt Dokumente zusammen, schreibt liederlich 40 Seiten, ohne klare Struktur, mit vielen Wiederholungen. Für uns als potenzielle Auftragnehmer ist es extrem schwer zu verstehen, was der Auftraggeber wirklich will. Und das Mindset dahinter – so wie es bei mir ankommt – ist wirklich schlimm.

Mir geht es hier auch nicht um "mein Steuergeld wird verschwendet". Darum geht es mir nicht. Mir geht es darum, dass hier jemand eine Projektidee hat, die vermutlich gut ist, die Probleme lösen und wertvoll sein könnte. Aber diese Idee wird einfach so hingerotzt – sorry für den Ausdruck.

Agiles Projektmanagement?

Klassisch, um ein bisschen in die Agilität zu kommen: Es gibt ein Lastenheft, eine Leistungsbeschreibung, und das Ganze muss natürlich ein Festpreisprojekt sein. Aber es gibt keinerlei Angaben über Budgetvorstellungen. Dann kommt auch noch der Satz: "Ziel ist ein agiles Projektmanagement." Da kippt mir wirklich alles raus. Agiles Projektmanagement? Was soll das sein?

Wir wollen das Produkt agil gestalten? Ja, da gehe ich mit. Aber agiles Projektmanagement ist in sich schon ein Widerspruch. Da hat jemand agil einfach überhaupt nicht verstanden. Jemand hat gesagt: "Lass uns das Wort agil reinschreiben, dann haben wir die Möglichkeit, zu sagen, es sollte doch alles anders sein."

Warum kann das nicht funktionieren?

Ich erzähle das hier nicht zum ersten Mal, aber kein Mensch kann ein Projekt dieser Größe und Komplexität fehlerfrei am Anfang beschreiben. Es ist unmöglich, in einem Lastenheft exakt zu definieren, was in zwei Jahren am Ende dabei herauskommen soll. Genau deshalb wäre das die perfekte Situation für ein agiles Vorgehen. Aber warum macht man es dann nicht?

Was hindert die Leute daran? Ist es Unwissenheit? Unlust? Ich verstehe es nicht. Es gibt doch Ausschreibungen der öffentlichen Hand, die explizit auf ein agiles Vorgehen setzen. Warum also nicht hier? Die Ziele kann man formulieren, Epics oder User Stories reinschreiben, und dann agil arbeiten. Das ist doch alles möglich.

Fehler im Fokus

Was mich auch stört: Der User, der das System später nutzen soll, wird komplett außen vor gelassen. Es gibt vielleicht zwei Absätze, die den Nutzen beschreiben. Der Rest der Ausschreibung ist nach innen gerichtet, darauf, internen Leuten das Leben leichter zu machen. Natürlich ist das eine wichtige Zielgruppe, aber wenn der externe Nutzer komplett vergessen wird, wird das kein erfolgreiches Projekt.

Positives Beispiel

Um auf einer positiven Note zu enden: Ich habe in letzter Zeit zwei Ausschreibungen gesehen, die klasse waren. Da stand im ersten Satz: "Das Projekt soll agil umgesetzt werden. Wir richten uns am Agile Manifest und den zwölf agilen Prinzipien aus." Und das war kein Lippenbekenntnis, sondern zog sich durch die ganze Ausschreibung. Da gab es klare Ziele, Epics, Budgetvorgaben – und es machte Spaß, sich damit zu beschäftigen.

Das zeigt, dass es auch anders geht. Das ist mein Plädoyer für agile Ausschreibungen, gerade im öffentlichen Sektor.

Ich würde wirklich gerne eure Meinung dazu hören. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Habt ihr an öffentlichen Ausschreibungen teilgenommen? Positive Erlebnisse? Gebt mir gerne Feedback. Du kannst mich auf verschiedenen Kanälen erreichen: Schreib mir eine Mail an nobsagile@agimil.com oder auf Mastodon. Begleitend zum Podcast gibt es ein Forum, in dem du ebenfalls Feedback hinterlassen kannst. Alle Links findest du in den Shownotes.

Ich habe noch eine Bitte: Wenn dir die Folge gefallen hat, wäre es toll, wenn du darüber sprichst und vielleicht den Link in deinen sozialen Netzwerken teilst. Nur so kann ich mehr Leute erreichen und Interaktionen über Agilität fördern.

Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.