NBA31: 守破離 (Shuhari)
Shownotes
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Letzte Folge NBA30: Warum Agilität nicht tot ist
Toot von Patrick
Shuhari
Zusammenfassung
In der aktuellen Folge von "No Bullshit Agile" spricht Thomas über das japanische Prinzip Shuhari und seine Relevanz für agile Teams. Shuhari beschreibt drei Lernphasen: In der "Shu"-Phase lernt man die Grundlagen und folgt den Regeln. In der "Ha"-Phase beginnt man, diese Regeln zu hinterfragen und anzupassen. Schließlich, in der "Ri"-Phase, erreicht man die Meisterschaft und entwickelt eigene, innovative Praktiken. Thomas betont die Bedeutung dieser phasenweisen Entwicklung für die kontinuierliche Verbesserung und das Lernen in agilen Teams. Das Modell ermutigt dazu, den Lernprozess wertzuschätzen und keine Phasen zu überspringen.
Transkript
Hallo und herzlich willkommen bei No Bullshit Agile.
Mein Name ist Thomas. Ich bin Teil eines Agilenteams und bespreche hier jede Woche Themen aus der Agilenteam-Projektwelt. Dabei orientiere ich mich an den großen Kategorien: Menschen, Teams, Kunden, Projekte und Agilität. Mein Fokus liegt dabei immer auf der Praxis, daher auch der Name No Bullshit Agile.
In der letzten Folge habe ich darüber gesprochen, dass Agilität eben nicht tot ist und warum das momentan so ein großes Thema überall ist. Wenn dich das interessiert, hör da gerne rein. Den Link zu der Folge findest du in den Shownotes. Das ist die Folge 31, und heute spreche ich passenderweise mit euch über eine japanische Lehre namens Shuhari. Ich hoffe, ich habe das richtig ausgesprochen und ich denke mal, ihr werdet im Laufe der Folge sehr schnell feststellen, warum die gut in den Kontext der letzten Folgen reinpasst.
Ja, zuallererst mal muss ich mich bei Patrick bedanken. Grüße gehen raus. Der hat mir nämlich auf Mastodon einen Tipp gegeben, zu einem Tool, das ich gemacht hatte, mir doch mal Shuhari anzusehen. Im Prinzip kannte ich das sogar schon, denn das wird tatsächlich auch in dem Buch "Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time" erwähnt. Ich habe das Buch mal gelesen; es ist halt schon sehr lange her und ich habe es im Prinzip tatsächlich komplett vergessen.
Das Ganze ist ein japanisches Prinzip und das kommt so aus dem 18. Jahrhundert und findet Anwendung in verschiedensten kulturellen Bereichen in Japan. Also zum Beispiel im Kampfsport, Karate, aber auch in Teezeremonien. Es geht um Folgendes: Es gibt, und das ist so die Idee dahinter, drei Phasen, in denen man Dinge lernt.
Die erste Phase ist "Shu". Hier lernt man die Grundlagen, die Grundformen, die Grundregeln. Also bei der Teezeremonie stelle ich mir vor, dass man im Prinzip eingewiesen wird, was die einzelnen Rituale sind und wofür sie stehen. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass es auch vergleichbar ist mit unserem Bildungssystem, in der Ausbildung. Wenn ich Azubi bin, bekomme ich mit verschiedenen Lernmethoden bestimmte Dinge beigebracht und vollziehe sie nach, um das Gelernte zu festigen.
Dann kommt die zweite Phase "Ha". Hier fangen wir an, die Regeln zu brechen. Wir starten Experimente und adaptieren das Gelernte für unsere Praxis und passen das Ganze an. Bei der Teezeremonie könnte man sich vorstellen, dass man bestimmte Rituale jetzt anders ausführt, weil sie vielleicht pragmatischer sind. Oder der Azubi soll in einer zweiten Phase eben dann seine eigene Methode dazu lernen. Ein drittes Beispiel für diese Phase, was ich immer wieder gelesen habe, ist: Wir sind jetzt nicht mehr in der Phase Azubi, sondern in der Phase Geselle. Wie ich tapeziere, entwickle ich langsam mit meinem gelernten Wissen andere Methodiken.
Die dritte Phase "Ri" ist dann schlussendlich die Meisterschaft. Darin steckt dann die Innovation. Es kommt einfach zu einer sehr kreativen Anwendung des Gelernten. Also auf all dem, was ich bisher gemacht habe, aufbauend, erfinde ich etwas Neues, Innovatives. Vielleicht kann man das vergleichen mit dem Meister. Also wir hatten den Azubi in der "Shu"-Phase. Dann hatten wir den Gesellen in der "Ha"-Phase, und jetzt sind wir beim Meister, "Ri", wie der jetzt tapeziert. Über all die Jahre hat er sich einfach vielleicht etwas ganz anderes überlegt, was für ihn oder sie super gut funktioniert.
Um das nochmal durchzugehen: Was für eine Bedeutung haben diese Phasen? Wir können das mal auf Agileteams runterbrechen bzw. anwenden. Wenn wir uns die erste Phase, die "Shu"-Phase, anschauen, dann lernt das Team hier die Grundlagen. Die Grundlagen der Agilität zum Beispiel, und deswegen passt es so gut in die letzten Folgen rein. Man könnte sagen, das Agile Manifest und die zwölf Prinzipien, die muss man erstmal verstehen und lernen. Das könnte die "Shu"-Phase sein. Man könnte auch sagen, wir lernen in dieser Phase die Grundlagen von Scrum. Also wir haben den Scrum Guide, vielleicht haben wir sogar einen Scrum Coach, der uns das erklärt. Und wir wollen gucken, dass wir eine hohe Konstanz erzielen, um diese Regeln lehrbuchartig wirklich zu verfolgen. Wir wollen wirklich alle Rituale einhalten. Wir wollen das ganze Prinzip des Sprint-Planning, wir wollen die Rollen, wir wollen all das, was Scrum im Lehrbuch vorsieht, wirklich leben und uns ganz streng an diese Regeln halten.
Warum wollen wir das? Wir wollen einfach das System dahinter verstehen. Wir wollen gefestigt sein. Man könnte auch sagen, wenn ich wieder auf mein Beispiel mit meinem Tech-Tree aus der letzten Folge komme: Wir wollen zuerst Experience sammeln, bevor wir andere Dinge freischalten. Wir wollen zuerst wirklich das Agile Manifest verstehen, bevor wir in eine Methodik gehen. Oder, wie gesagt, das Beispiel, das ich gerade gemacht habe: Wir wenden Scrum lehrbuchartig mit einer Unterstützung durch den Coach wirklich eine lange Phase lehrbuchartig an.
In der nächsten Phase, wenn wir die Grundlagen gebildet und unser Grundlagenwissen gesichert haben, wechseln wir in die "Ha"-Phase, die zweite Phase, und wenden das Gelernte an und hinterfragen die Regeln. Das ist jetzt die Phase, in der wir Experimente starten. Zum Beispiel könnte man sagen, wir starten ein Experiment für verschiedene Sprintlängen oder wir starten ein Experiment für unterschiedliche Demo-Formate oder wir starten ein Experiment, ob wir zum Beispiel Storypoint-Schätzungen im Task-Splitting überhaupt brauchen. All das soll die Flexibilität und die Anpassungsfähigkeit fördern.
Dazu ist es aber unheimlich wichtig, und deswegen finde ich dieses Modell wirklich super gut: Ich muss die "Shu"-Phase, das Lernen und Verstehen der Grundlagen, abgeschlossen haben. Da gibt es keine Abkürzung, zumindest nicht, wenn man diese japanische Philosophie verfolgt. Ich muss zuerst die Grundlagen der Teezeremonien verstanden haben, die "Shu"-Phase wirklich abgeschlossen haben, bevor ich in diese "Ha"-Phase wechsele und sage: Jetzt probiere ich das Gelernte anzuwenden und versuche, mit Hilfe von Experimenten Dinge zu verändern und zu schauen, ob es besser zu mir passt oder nicht.
In dieser "Ha"-Phase sammele ich dann unheimlich viele neue Erfahrungen, und das ermöglicht es mir im Zweifelsfall später, nachfolgend in die letzte, in diese "Ri"-Phase zu wechseln. Hier erreichen wir eben eine Meisterschaft. Hier haben wir komplett neue Innovationen. Wir wenden ganz andere Dinge an, die wir auf diesem Weg des Lernens gelernt haben, weil sie für uns sehr gut passen. Daraus entsteht dann vielleicht wieder, als Beispiel: Ich habe Scrum gemacht, und daraus entsteht dann auf einmal ein neues Framework wie LeSS. Das soll nicht heißen, dass aus Scrum zwangsläufig LeSS folgt. Es können ja auch ganz andere Dinge folgen, Innovationen, die wir heute noch nicht kennen. Aber diese Idee ist halt wirklich zu sagen: Wir haben so viel Erfahrung, dass wir daraufhin eben innovativ ganz andere Dinge entwickeln können.
Noch mal vielleicht ein anfassbares Beispiel als Zusammenfassung: Wir nehmen uns ein agiles Team, das diese Phasen durchläuft. In der "Shu"-Phase lernt das Team jetzt Scrum und hält sich strikt an diese Regeln. In der zweiten Phase "Ha", nachdem wir die "Shu"-Phase gemeistert haben, beginnt das Team, diese Regeln zu hinterfragen und passt die Methodiken an seine spezifischen Bedürfnisse an. In der letzten Phase, der "Ri"-Phase, entwickelt das Team eigene agile Praktiken und wird im Zweifel sogar zum Mentor für andere Teams.
Ich finde, dieses Modell – und wir sind schon beim Fazit – tatsächlich total gut, weil es eben dieses phasenweise Vorgehen, und im Prinzip sogar auch diese Schranken, bleibt in der einen Phase, bis du wirklich gut darin bist. Es greift nochmal aus einem anderen Blickwinkel, aus einem ganz anderen Kulturkreis auf und erklärt. Ich denke einfach, es geht hier um kontinuierliche Verbesserung und Lernen. Ich finde, das ist eine gute Reflexion, die man im Team auch immer mal aufgreifen kann: Wo stehen wir denn in diesen drei Phasen? Und ich denke, es ist total wichtig, in den Phasen zu bleiben und keine Phase zu überspringen. Sonst fehlen einem bestimmte Fundamente, um wirklich sattelfest in der nächsten Phase zu sein.
Ich glaube, es ermutigt auch zum Anerkennen eines Lernprozesses. Eigentlich ist Lernen ja wirklich ein hohes Gut, total wichtig und etwas, nach dem wir alle streben. Diese Methode hilft uns, ein bisschen besser zu verstehen, dass das alles ein Lernprozess ist. Man kann eben nicht nach einer Woche Meister sein oder nach dem Besuch einer PO-Schulung oder wenn man zertifizierter Scrum Master ist. Erfahrung ist einfach eine ganz wichtige Komponente.
Und ich glaube, damit sind wir heute schon durch. Das war nochmal eine super Inspiration. Vielen Dank nochmal an Patrick. Es passt hier einfach ganz gut rein und deswegen, ja, vielleicht könnt ihr etwas daraus mitnehmen. Wie immer bin ich total an eurer Meinung interessiert. Kennt ihr das? Benutzt ihr sowas in der Praxis? Gebt mir gerne Feedback und steigt einfach mit mir und auch mit anderen in die Diskussion ein. Wenn du Feedback geben willst, hast du mehrere Möglichkeiten: Du kannst mir ganz klassisch eine E-Mail schreiben. Du findest mich auf Mastodon. Den Link zu meinem Profil findest du auch in den Shownotes.
Begleitend zu dem Podcast gibt es ein Forum, und zu jeder Folge gibt es da einen eigenen Thread, den ich immer anlege. Auch da freue ich mich auf Kommentare, Anmerkungen und Anregungen. Ich habe zum Abschluss noch eine Bitte: Wenn dir die Folge gefallen hat, wenn sie dir vielleicht sogar etwas gebracht hat, dann wäre es für mich eine riesige Hilfe, die Dinge, die ich hier erzähle, unter mehr Leute zu verbreiten. Du kannst mir dabei einfach helfen, indem du andere Leute anstupst, von denen du glaubst, sie könnten sich für den Podcast interessieren. Das kannst du direkt tun – vielleicht gibt es Kolleginnen oder Kollegen, Chefs oder so, wo du sagst: "Hey, hör mal rein, das ist eigentlich ganz interessant." Und natürlich freue ich mich darüber, wenn du das auf deinen Social-Media-Kanälen teilst.
Wie gesagt, das ist für mich einfach eine ganz große Hilfe, und deswegen sage ich an der Stelle: Ganz vielen Dank. Habt noch eine tolle Woche und bis zum nächsten Mal.