NBA26: Im Gespräch: Thomas Michl - Agile Verwaltung und Obeya
Shownotes
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Letzte Folge NBA25: Im Gespräch: Marco von SCRUMschau über Scrum
Thomas Michl
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Konferenz Agile Verwaltung 25.09.2024
Bauhof Herrenberg
Obeya
A3 Report
ABC-Analyse
XYZ-Analyse
Zusammenfassung
In dieser Episode von „No Bullshit Agile“ spricht Thomas mit Thomas Michl über die spannende Anwendung von Agilität in der öffentlichen Verwaltung und das Konzept Obeya. Thomas Michl, ein erfahrener Agile Coach, teilt seine Erkenntnisse aus seiner Arbeit in der Verwaltung und erklärt, wie agile Methoden in diesem Bereich implementiert werden können. Er beleuchtet die Herausforderungen und Vorteile von Agilität in der Verwaltung, insbesondere die Notwendigkeit, flexibel auf komplexe und sich schnell ändernde Anforderungen zu reagieren. Außerdem diskutiert er das Obeya-Konzept – ein visuelles Management-Werkzeug aus dem Lean-Bereich, das Transparenz und effektive Kommunikation innerhalb von Organisationen fördern soll. Michl beschreibt, wie dieses Konzept auch in der Verwaltung nützlich sein kann, um die Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung zu verbessern. Er betont, dass Agilität und Lean-Methoden sich ergänzen und wie wichtig kontinuierliches Lernen und Verbesserung sind.
Transkript
Hallo und herzlich willkommen bei No Bullshit Agile. Mein Name ist Thomas. Ich bin Teil eines agilen Teams und bespreche hier jede Woche Themen aus der agilen Projektwelt. Dabei orientiere ich mich an den großen Kategorien Menschen, Teams, Kunden, Projekte und Agilität. Mein Fokus liegt dabei auf der Praxis, daher auch der Name No Bullshit Agile.
In der letzten Folge habe ich mit Marco von Scrum Schau über Scrum gesprochen. Wenn dich das interessiert, hör da gerne mal rein. Den Link dazu findest du in den Shownotes.
Das ist die Folge 26 und ich habe wieder einen Gast, nämlich Thomas Michl. Wir unterhalten uns über Agilität in der Verwaltung und OBR. Zwei super spannende Themen, und ich würde sagen, los geht's.
Ja, wie schon angekündigt, ich habe Besuch von Thomas Michl. Erstmal herzlich willkommen und vielen Dank für deine Zeit.
Hi.
Vielleicht hast du Lust, dich mal ein bisschen vorzustellen. Man findet ja tatsächlich einiges über dich, aber vielleicht magst du mal so zwei, drei Sätze über dich zur Einordnung sagen.
Zur Einordnung zur Person: Ich bin als Agile Coach mittlerweile seit 2018 unterwegs, habe aber viele, viele Jahre davor in der öffentlichen Verwaltung gearbeitet. Damals in der Stadtverwaltung habe ich mich dann intensiv mit Agilität beschäftigt, so ab 2008/2009. Nachdem ein Projekt an die Wand gefahren war, habe ich neue Wege gesucht und in der Zeit dann mit anderen Leuten angefangen, mich über Agilität in der Verwaltung auszutauschen. So ist das Forum Agile Verwaltung entstanden, wo ich auch jahrelang Vereinsvorsitzender war. Also, ich gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Truppe und bin seitdem immer auch mit ein bisschen Verwaltungsbezug unterwegs.
Methodisch gesehen habe ich mehrere Steckenpferde. Ich beschäftige mich nicht nur mit agilen Themen, sondern auch gerne mit Lean Management, vor allem mit der japanischen Ausprägung, die mir sympathischer ist, weil sie zum Thema Agilität gut passt.
Definitiv. Wir machen ja Kanban und haben früher lange Scrum gemacht, und da sind die Wurzeln ja auch im Japanischen. Das Thema Agile Verwaltung fand ich total interessant. Ich habe ein bisschen im Forum auf der Seite geguckt; die Links packe ich natürlich auch in die Shownotes. Vielleicht wollen wir damit einfach mal anfangen. Wie stelle ich mir eine Agile Verwaltung vor, oder welchen Bedarf gibt es da?
Im Prinzip fast den gleichen wie in allen anderen Organisationen auch, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung. Die komplexen Umfelder, die eine Verwaltung hat, sind nicht zu unterschätzen, und gerade im kommunalen Bereich würde ich sagen, Kommunalverwaltungen haben ein sehr breites Themenspektrum. Da sind fast alle Lebensbereiche in irgendeiner Form betroffen. Das heißt, sie stolpern auch unwillkürlich, ob sie es wollen oder nicht, immer wieder über Handlungsfelder, die mit klassischen Vorgehensweisen an ihre Grenzen stoßen würden.
Ich sage mal, bei der Bundestagswahl weiß ich ganz genau, seit 70 Jahren muss ich das und das tun. Aber wenn ich jetzt zum Beispiel mein Bau- und Stadtentwicklungskonzept für meine Altstadt entwickle, da funktioniert eine Blaupause nur bedingt, da brauche ich andere Vorgehensweisen. Oder im Bereich bürgerschaftliches Engagement, wo ich noch keine Ahnung habe, was die Bürger an mich herantragen werden, wie sich das Ganze entwickelt, da brauche ich andere Vorgehensweisen. Von daher passt Agilität eigentlich fast super gut auch in die Verwaltung rein.
Es gibt genug Beispiele in den letzten paar Jahren, wo plötzlich Ereignisse eingetreten sind und die Verwaltung sehr schnell umswitchen musste. Die Flüchtlingskrise war mal vor langen Jahren so ein Thema. Man merkt, dass Agilität da ist, und ich behaupte mal, dass Agilität in der Verwaltung, auch wenn es wenige glauben, gar nicht so fremd ist. Es gibt öffentlich-rechtliche Aufgaben, die schon eine sehr lange Tradition haben und die das tatsächlich von Beginn an praktizieren, weil sie sonst gar nicht funktioniert hätten. Klassisches Beispiel: ganz moderne Themen wie Agilität und demokratische Unternehmen macht die freiwillige Feuerwehr schon seit 150 Jahren.
Ja, gutes Beispiel.
Das ist eine klassische kommunale Pflichtaufgabe, die eigentlich zeigt, dass es öffentliche Aufgaben gibt, die so zu organisieren sind, und es muss auch so sein, sonst wären sie gar nicht einsatzfähig.
Ja, das ist tatsächlich ein gutes Bild und auch die anderen Beispiele. Wenn ich jetzt wirklich darüber nachdenke, die Umwelt ändert sich ja auch permanent, und auch da willst du ja auf Feedback reagieren.
Genau. Gerade im kommunalen Bereich, da komme ich ursprünglich her, haben sie einen großen Vorteil gegenüber den großen Behörden von Land und Bund: Sie haben eine sehr hohe Nähe zu den Endabnehmern, Endkunden, Endverbrauchern ihrer Leistungen. Da ist man jeden Tag mit den Leuten in Kontakt, das ist ein großer Vorteil im kommunalen Bereich. Auch innerhalb der Verwaltung hört man viel über die Regulierungswut der öffentlichen Verwaltung, aber übersieht, wie sehr die Verwaltung selbst darunter leidet, dass sie in Teilbereichen total überreguliert ist. Es ist nicht so, dass die Leute Spaß daran haben, sondern ich kann mich an genug Kollegen erinnern, altgediente Beamte, die gesagt haben, dass sie so irgendwann nicht mehr arbeiten können. Die Widersprüche machen es bald unmöglich, aussagefähig zu bleiben. Diese Komplexität, die man in der Wirtschaft kennt, kennt die Verwaltung im Prinzip genauso.
Ja, macht ja auch Sinn. Wie muss ich mir das vorstellen? Ich vermute mal, korrigiere mich gerne, dass das Thema Agilität in der Verwaltung auch nicht seit 20 Jahren Thema ist, sondern Stück für Stück gekommen ist.
Ja, ich habe mich damit 2008 angefangen auseinanderzusetzen, eher aus Zufall, weil ich ein Projekt im Bereich bürgerschaftliches Engagement hatte, das ich ganz klassisch angegangen bin und das nicht funktioniert hat. Ich habe dann Alternativen gesucht und bei meinen Recherchen irgendwann mal bei Scrum rausgekommen, später Kanban für mich entdeckt. Damals waren wir ein kleines Grüppchen von ein paar Versprengten. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis sich herumgesprochen hat, dass es hier und dort Bedarf gibt. Wir haben uns dann irgendwann mal in Karlsruhe zu fünft oder sechst zusammengefunden, überwiegend aus dem süddeutschen Raum, und eine Schweizerin war dabei. Wir sagten dann, da muss was passieren, wir sehen einen Bedarf. Damals waren wir tatsächlich ein kleines Grüppchen von fünf Leuten. Zehn Jahre später gibt es Initiativen auf Bundes- und Landesebene und im kommunalen Bereich, die sich damit beschäftigen. Es ist noch nicht das große flächendeckende Thema, aber es ist angekommen und wird aufgegriffen und findet mittlerweile auch Einzug jenseits der Softwareentwicklung für die öffentliche Hand. Vor allem waren es die Digitalisierungsthemen, die das getrieben haben, aber mittlerweile auch ganz andere Bereiche, wo das Thema immer stärker kommt. Man sagt einfach, dass bisherige Arbeitsweisen ergänzt werden müssen, um auf Situationen reagieren zu können, die klassisch nicht beherrschbar sind.
Ja, verstehe. Nutzt ihr dann ein gesamtes Framework oder Teile aus einem Framework, dass ihr sagt, ein Daily macht Sinn oder ein Refinement oder Tools aus dem Bereich?
Ich glaube, es gibt das ganze Spektrum. Es kommt immer darauf an, was, wo, wie man macht. In Entwicklungsprojekten auf der grünen Wiese habe ich durchaus schon erlebt, dass Scrum richtig umgesetzt wurde, mit Daily und allem drum und dran. Im Tagesgeschäft, wo es eine Mischung aus Routineaufgaben und neu auftretenden Aufgaben gibt, habe ich schon Kanban-mäßige Arbeitsweisen gesehen. Und die tägliche Dienstbesprechung, wo man sich morgens um neun trifft, kennen fast alle Ämter. Sie machen das, ohne zu wissen, dass es eigentlich schon in Bezug zur Agilität steht, weil es einfach ist, sich kurz zu synchronisieren. Jenseits der Methoden gibt es auch Beispiele wie den selbstorganisierten Bauhof in Herrenberg, der die klassische Bauhofleitung abgeschafft hat und komplett selbstorganisiert arbeitet, weil sie keinen Bauhofleiter mehr finden konnten. Die haben dann Arbeitsweisen und Arbeitswege gefunden, die sich in Anklängen diverser Frameworks aber auch sehr hemmenerblich entwickelt haben und es funktioniert sehr gut.
Ja, das klingt wirklich gut. Und wie ist das so? Gibt es Agile Coaches, die sich da spezialisiert haben, oder kommt das aus dem eigenen Kreis? Ich vermute mal, das Forum Agile Verwaltung, das du mit gegründet hast, vermittelt da vielleicht auch oder zeigt zumindest, welche Möglichkeiten es gibt?
Das Forum selbst ist ein Art Selbsthilfe-Netzwerk. Es gibt mittlerweile ein paar versprengte Berater und Coaches, die das können. Normalerweise haben die meisten Kommunalverwaltungen nicht die großen Budgets, um sich einen Coach von extern reinzuholen. Es gibt Stadtverwaltungen wie München, die sich das leisten können. Die haben wirklich interne Agile Coaches, relativ viele sogar, hauptsächlich im IT-Bereich. Im Regelfall ist es aber so, dass die Mitarbeiter sich das selber erarbeiten und punktuell mal Unterstützung von außen organisieren, um arbeitsfähig zu werden, weil die Budgets dafür einfach nicht da sind. Bei großen Bundesbehörden oder Landeshauptstädten wie München können sie das, aber eine Stadt mit 30.000 bis 40.000 Einwohnern wird das nicht leisten können. Das ist einfach schwer zu vermitteln. Aber es gibt mittlerweile sehr rührige Anlaufstellen. Die Stadt Heidelberg hat sogar eine Stabstelle im Personalamt unter strategischer Personalentwicklung eingerichtet, und die treiben das erfolgreich voran und versuchen, die Kompetenz im eigenen Haus aufzubauen.
Ja, toll. Ich habe auf der Webseite gesehen, dass demnächst eine Konferenz ansteht, die jährlich stattfindet.
Ja, das war tatsächlich die Ursprungsidee. Die Konferenz findet jedes Jahr statt. Damit haben wir begonnen, bevor es den Verein gab. Wir haben einfach gesagt, wir brauchen eine Plattform, wo Ideen ausgetauscht werden können. Keine der üblichen Konferenzen, sondern eine, die sehr stark auf die Bedürfnisse der Verwaltung eingeht, wo Verwaltungsleute sich gegenseitig coachen und helfen können. Daraus entstand die erste Konferenz, die damals noch in Stuttgart organisiert wurde. Sie findet jedes Jahr statt und ist der Gründungsgrund, warum wir uns als Verein gegründet haben, weil wir merkten, dass wir für die Organisation einen Rechtsträger brauchen.
Das Besondere an dieser Konferenz ist, dass sie komplett ehrenamtlich getragen wird. Alle Organisatoren sind in ihrer Freizeit tätig, und alles, was an Einnahmen reingeht, geht in die Refinanzierung der Konferenz. Es ist keine große Konferenz mit den großen Speakern, sondern eher klein und überschaubar mit meist 100 Teilnehmern. Es ist nicht ganz das interaktive Format, das wir uns am Anfang vorgestellt hatten, weil es schwierig ist, ein Barcamp für Verwaltungsmitarbeiter zu verkaufen. Sie brauchen immer auch ein festes Programm, damit sie das intern vermitteln können. Das ändert sich seit ein paar Jahren, aber am Anfang war es so. Mittlerweile achten wir darauf, dass es eine Mischung für Neueinsteiger und Fortgeschrittene gibt. Neueinsteiger haben einen Slot, um sich zu informieren, was Agilität ist, und die Fortgeschrittenen können interaktiv Probleme wälzen und neue Impulse holen.
Genau, ich verlinke einfach auch mal das Programm. Ich gucke da gerade auch noch mal rein.
Das ist wirklich schön breit gefächert. Dass das vielleicht nicht sofort nach außen hin ein Barcamp sein kann, kann ich gut nachvollziehen. Ehrlich gesagt, ich denke dann immer, der Handschuh muss ja auch passen. Also, ich finde sowas überhaupt nicht schlimm. Es gibt äußere Bedingungen, die werden erfüllt, und wenn es der Konferenz und den Menschen, die sie besuchen, hilft, umso besser.
Ja, toll. Hast du denn noch irgendwas? Ich sehe nämlich gerade hier noch ein anderes Thema, da hast du anscheinend auch einen Talk. Hast du denn noch irgendwas zu agiler Verwaltung, wo du sagst, ja, das wäre nochmal so ein ganz spannender Punkt?
Da gibt es unglaublich viele Punkte, über die man reden könnte. Ich habe momentan ein Thema, mit dem ich mich sehr intensiv beschäftige, das ist Obeya. Das kommt eigentlich aus dem Lean-Bereich und ist visuelles Management. Also Obeya – Big Room, der große Raum, übersetzt. Da werden alle zentralen relevanten Informationen nach einer strukturierten Methode an der Wand visualisiert, sodass man einen Wiedererkennungseffekt hat und weiß, wo was ist. Das verknüpft man auch mit Elementen, die man aus Scrum oder Kanban kennt, mit einem Daily und verschiedenen Ebenen, um die Entscheidungsfindung zusammenzubringen in einem Raum, sodass gute Entscheidungen getroffen werden können und durch die Visualisierung unterstützt wird.
Diese Idee, da bin ich drauf gekommen, weil es mir in der öffentlichen Verwaltung aufgefallen ist, dass es immer so schwierig ist, die Transparenz und den Informationsfluss zwischen den unterschiedlichen Ebenen herzustellen. Also, ich habe eine operative Basis, die das Tagesgeschäft macht, aber die Information kommt oben in der Führungsebene an und andersherum. Oder es wird zu viel vorgefiltert, und dann funktioniert das Zusammenspiel oft nicht so gut. Da bin ich dann irgendwann mal drübergestolpert und habe gedacht, das ist eine prima Idee, passt ja auch in die Verwaltung, die auch diese Vernetzung braucht über diese unterschiedlichen Ebenen.
Die klassische Verwaltung ist ja im Regelfall auch aus verschiedenen rechtlichen Gründen, was vielen klar ist, in Bereiche gegliedert, Geschäftsbereiche und Hierarchieebenen ab einer bestimmten Größe. Wie kriege ich das alles zusammen und wie funktioniert die Zusammenarbeit? Da bin ich dann irgendwann einmal auf den Gedanken gekommen, wenn das ein Automobilhersteller hinkriegt – das kommt aus dem Toyota-Kontext – und das bei denen funktioniert, warum nicht auch bei uns in der Verwaltung? Dass man diese Transparenz hinbekommt, dass man die Informationen visualisiert unterstützt und darüber, damit beschäftige ich mich gerade ein bisschen intensiver.
In deutschen Verwaltungen ist das noch nicht so gebräuchlich, ich wüsste zumindest noch keine, die es macht. Also, das Thema ist noch ganz frisch. Ich habe die Hoffnung, dass wir Bündnispartner auf der Konferenz gewinnen können, um das Thema voranzutreiben. So wie mittlerweile Objectives and Key Results (OKR) auch in der Verwaltung diskutiert werden, kann auch dieses Thema in die Verwaltung getragen werden und dort helfen, diese Brücken zu schlagen und über die Visualisierung Dinge früher transparent und sichtbar zu machen und einfach die Ergebnisqualität zu erhöhen.
Ja, spannend. Hast du ein Beispiel, wie kann ich mir so eine Visualisierung vorstellen?
Das klassische Bild ist eigentlich der klassische Obeya. Er ist aufgebaut wie der PDCA-Zyklus, und dann habe ich, wenn ich reinkomme, an oberster Stelle unsere strategischen Themen und ringsherum einen Bereich, da ist das Tagesgeschäft abgebildet, beispielsweise in einem Kanban-Board. Dann habe ich einen Bereich, den ich Problemlösungszone nennen würde, da werden Probleme gewälzt und bearbeitet. Dann habe ich gegebenenfalls rundherum Metriken und KPIs visualisiert, die ich direkt in Sichtweite habe. Es ist ein klassischer Projektraum, wo alle Informationen visuell dargestellt sind, sodass man sie schnell erfassen kann und die verschiedenen Informationen sehr schnell in Verbindung bringen kann, verknüpfen und erkennen kann, dass sie zusammenhängen.
Verknüpft wird das dann mit etwas, was wir ja aus dem Agilen kennen, mit Iterationen, mit Regelmeetings, und das entsprechend auf diesen verschiedenen Ebenen kombiniert, sodass man es eigentlich relativ gut auch mit einer agilen Vorgehensweise verknüpfen kann. Wenn ihr ein Scrum-Team habt und ein Kanban-Team, können sie auf den verschiedenen Ebenen arbeiten und im gleichen Raum arbeiten. Man kann sich vorstellen, das Scrum-Team versammelt sich dort, macht ihr Tagesgeschäft, und eine Stunde später kommt das Management mit rein und man diskutiert aus der taktischen und strategischen Ebene und hat die Ergebnisse vor Augen, was die Kollegen aus dem Scrum-Team signalisieren, wo es Probleme gibt.
Also das finde ich mega spannend. Total. Auch weil es ja nicht nur ein Phänomen ist, das die Verwaltung betrifft, sondern ganz ehrlich, ich habe es auch schon in vielen großen Wirtschaftsunternehmen erlebt, dass die Strategie komplett abgekoppelt von der operativen Ebene ist, und da funktioniert es oft genau deswegen nicht. Da ist es auch ein Ansatz, wo ich glaube, der kann sehr gut helfen. Und er hilft eben nicht nur bei der Verwaltung. Transparenz ist ja auch ganz arg wichtig. Das ist ja aufgrund des Auftrags, den man hat, ganz wichtig, aber auch eine Herausforderung, gerade mit Blick auf Datenschutz. Ein Thema, das man sich anschauen muss, wo man so etwas lösen kann. Aber ich finde es ganz wichtig, weil ich mir gut vorstellen kann, dass man mit so einem Obeya zum Beispiel auch die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Gemeinderat als oberstes Organ der Verwaltung auf kommunaler Ebene verbessern kann. Hier hilft es, Dinge transparenter und sichtbarer zu machen. Also, da gehen meine Gedanken in die Richtung.
Und das macht auch total Sinn. Wenn ich es jetzt vergleiche, es gibt ja – ich bin jetzt nicht der größte Fan von – auch vielleicht kanban, zum Beispiel die Aggregation der Informationen und das gemeinsame Arbeiten, kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich gucke gerade parallel ein bisschen Bilder zu Obeya. Also anscheinend gibt es ja wirklich auch die Idee, das als physische Wall wirklich zu machen.
Tatsächlich als physische Wall, da kommt es auch tatsächlich ursprünglich her. Es ist keine neue Erfindung, sondern sogar relativ alt. Ich habe mir sagen lassen, dass man es bei Toyota schon seit Jahrzehnten praktiziert. Das visuelle Management ist ein Kernelement selbst in der Produktion. Die Idee kommt letztendlich damit zusammen. Es funktioniert in der Praxis im Lean-Umfeld genauso wie im agilen Umfeld oder gar im klassischen Framework. Das Schöne daran ist, es ist offen. Man kann situativ entscheiden, mit welcher Methode man arbeitet und kann es integrieren. Und es hilft unglaublich. Visualisierung darf man sich hier nicht als schön gemalte Bilder vorstellen, sondern tatsächlich Zettel, Informationen, die sichtbar gemacht werden und Zusammenhänge transparent machen. Es muss nicht hochtrabend und schön sein, sondern vor allem Informationen sichtbar machen, sodass man erkennt, ob hier ein Problem vorliegt und wie es mit anderen Themen zusammenhängt. Wenn wir das lösen, dann haben wir das nächste Problem auch gleich mit erwähnt. Das ist das Schöne an dem Ganzen, und ich glaube, dass es hilft.
Ja, es ist ja auch interessant, dass es Toyota ist. Gibt es da Zusammenhänge mit Kanban, also den Signalkarten aus dem Kanban?
Ich bin da nicht ganz tief drin, aber ich meine, dass es auch mit dieser Visualisierungsidee und Kanban zusammenhängt. Nach meinem Kenntnisstand zieht sich die Visualisierung im Toyota Production System komplett durch. Egal welchen Ansatz man wählt, sie sind mit sehr viel Visualisierung unterwegs.
Ich habe auch so ein bisschen das Gefühl. Also, wie gesagt, ich verlinke auch nochmal ein paar Bilder. Ich gucke mal, ob ich tatsächlich ein bisschen von Toyota auch an Bildern finde. Und ich habe wirklich das Gefühl, dass man auf der einen Seite, genau wie du es auch gesagt hast, in einem Ausschnitt kann man es machen, im Ausschnitt vielleicht mal Scrum oder so. Aber dass durch dieses Toyota-geprägte Bild der Visualisierung das Obeya eben einfach da super eingliedert oder so eine Klammer vielleicht sogar bildet.
Ja, also es könnte gut passen. Wie gesagt, nach allem, was ich gelesen habe, ist visuelle Unterstützung immer ein zentrales Element. Und wenn man mal gesehen hat, wie so ein Toyota-Team sich morgens trifft – ich habe da mal Bilder gesehen, Filmschnipsel – wie die sich morgens zum Briefing, zum Daily treffen, dann ist da immer eine Tafel im Spiel, vor der sie stehen, mit den wesentlichen Informationen.
Spannend. Ich bin gespannt, was du erzählst, wie dein Vortrag war und welches Feedback du bekommen hast und wie es weitergeht. Klingt wirklich spannend. Ich kann verstehen, im Vorgespräch, das können wir ruhig sagen, haben wir uns auch ein bisschen unterhalten, welche Themen uns beide auch interessieren. Und ich hatte halt auch gesagt, ja, Obeya hat mir bis dahin wirklich gar nichts gesagt. Also bin ich nie irgendwo drübergestolpert, mag auch an meinen Lesegewohnheiten liegen. Aber Visualisierung finde ich immer richtig gut. Und ich finde die Idee, dass jeder die Möglichkeit hat, seine Informationen auch zu haben, faszinierend. Für uns als Agentur – wir sind 30 Leute – ist es gar nicht nötig. Aber ich kann es mir wirklich an vielen Stellen, auch bei Kunden, vorstellen. Da kriege ich ja viel von deren Prozessen mit, wo ich sage, guck mal, hier ist das nicht eine Idee, wo ihr genau so etwas mal ausprobiert. Wenn man sieht, welche Vorteile das mit sich bringt, dass man Dinge schneller erkennt und Entscheidungen schneller getroffen werden, ist das super interessant.