Vertrauen in agilen Teams: Warum Micromanagement den Code killt

Vor ein paar Wochen kam ein Teammitglied zu mir. Er hatte einen konkreten Vorschlag, wie wir unser Jira-Board umbauen könnten, um unseren Flow besser darzustellen. Mir war sofort klar: Das bringt uns einen riesigen Schritt weiter. Und mir war auch sofort klar: Ich als Team Lead wäre darauf niemals gekommen.

Dieser Moment hat mich nachdenklich gemacht. Er war ein perfektes Beispiel für das, was wir in der agilen Welt oft predigen, aber im Dev-Alltag viel zu selten echt erleben: Vertrauen.

Vertrauen ist ein Vorschuss (mit hoher Rendite)

Vertrauen entsteht nicht durch Abwarten. Es ist ein Vorschuss. In meiner Rolle als Lead habe ich dem Kollegen den Raum gegeben, seinen Vorschlag nicht nur zu äußern, sondern ihn auch umzusetzen.

Wenn wir in leitenden Positionen – egal ob Team Lead, Tech Lead oder Architekt – unseren Leuten nicht vertrauen, beschneiden wir uns selbst. Wir nehmen dem Team das Potenzial und uns selbst die Chance auf Lösungen, die wir alleine nie gesehen hätten.

Warum Micromanagement den Flow killt

Das Gegenteil zu Vertrauen ist für mich Micromanagement. Und wenn das passiert, kämpfen wir mit ganz anderen Problemen.

Da ist zum Beispiel die „versteckte Agenda“: Wenn wir das Gefühl haben, nicht das Richtige tun zu dürfen, fangen wir an, Dinge heimlich zu tun. Wir fixen Bugs oder refactoren Code „unter dem Radar“, aus Angst vor Rechtfertigungsdruck.

Mindestens genauso schlecht ist Kommunikations-Lag: Wer kein Vertrauen spürt, spricht Probleme nicht mehr offen an. Keiner lernt mehr. Es entsteht keine Feedback Loop. Die Effizienz sinkt sofort gegen Null.

Und dann ist da natürlich noch der Innovations-Stopp: Wer Angst vor Fehlern hat, baut keine innovativen Features. Keine traut sich mehr etwas auszuprobieren. Es könnte ja schief gehen. Jeder baut nur das, was sicher und bekannt ist.

Das Agile Manifest ist kein Bullshit

„Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen, und vertraue darauf, dass sie die Aufgaben erledigen.“

Für uns in der Entwicklung heißt das: Wir brauchen keine Aufpasser, wir brauchen Enabler. Wir brauchen jemand, der uns unterstützt.

Was uns blockiert, Vertrauen zu geben

Hand aufs Herz: Warum fällt es uns oft so schwer, loszulassen? Dafür gibt es viele Gründe. Für mich kann man sie diesen Kategorien zuordnen.

  • Frühere negative Erfahrungen: Ein Release ist mal richtig schiefgegangen, Vertrauen wurde mal missbraucht
  • Eigene Unsicherheit: Wir trauen uns selbst nicht zu, die Kontrolle abzugeben. 
  • Angst vor Kontrollverlust: Wir denken, wenn wir nicht alles kontrollieren, bricht Chaos aus.

Aber die Wahrheit ist: Wenn wir nicht vertrauen, werden die besten Leute als erste gehen. Sie wollen in einer Umgebung arbeiten, in der sie Verantwortung übernehmen dürfen – so wie mein Kollege mit der Idee zum Board-Umbau.

Mein Fazit für die Dev-Community

Ein Leben ohne Vertrauen im Team ist möglich, aber für die Softwarequalität sinnlos. Wenn du merkst, dass du micromanaged wirst oder selbst dazu neigst: Halt inne. Überleg dir, was dich blockiert.

Vertrauen ist der Hebel, mit dem wir die Effizienz und die Team-Moral wirklich steigern. Nicht durch noch mehr Tools oder noch striktere Sprints oder weitere Prozessregeln.

Wenn es dich interessiert, kannst du dir auch meine Folge NBA12: Vertrauen geben anhören, in der ich über das Thema spreche.

Wenn du als Dev noch mehr Tipps suchst, wie das agile Arbeiten für dich besser gestaltet werden kann, schau in das Agile-Survival-Kit.

Mastodon Diskussionen