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No Bullshit Kanban Advanced Guide

Einleitung - von der Insel zum Kontinent

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Du hast den No Bullshit Kanban Starter Guide gemeistert? Deine Team-Insel ist keine chaotische Baustelle mehr, sondern eine gut geölte Fabrik, die kontinuierlich Wert produziert. Glückwunsch!

Aber du merkst: Echte Wertschöpfung hört nicht an deinem Ufer auf. Arbeit kommt irgendwoher und geht irgendwohin. Ideen sind vage, bevor sie bei dir anlanden. Und was passiert eigentlich mit dem fertigen Produkt, nachdem es deine Insel verlässt?

Willkommen beim No Bullshit Kanban Advanced Guide. Wir zoomen jetzt raus. Wir verlassen die Insel und betrachten die gesamte Reise der Arbeit – vom ersten Funken einer Idee im Hafen bis zum glücklichen Kunden auf dem Festland. Dieser Guide zeigt dir, wie du den gesamten Wertstrom sichtbar machst, misst und optimierst.

No Bullshit Kanban Advanced Guide
No Bullshit Kanban Advanced Guide

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Der Kanban Advanced Guide für die Ohren

Von der Idee zum Wert – Die komplette Reise der Arbeit

Dein Team-Board ist nur ein Teil der Geschichte. Der wahre Hebel liegt darin, den gesamten Kreislauf zu verstehen und zu verbessern. Wir nennen das die „Reise der Arbeit“. Sie hat vier entscheidende Etappen. Ich habe ausführlich in der Folge NBA79 – Kanban Upstream und Downstream einfach erklärt über das folgende gesprochen.

1. Upstream – Der Hafen, wo Ideen ankommen

Alles beginnt hier. Vage Anfragen, Kundenwünsche und strategische Ideen treffen im Hafen ein. Das ist oft ein chaotischer Ort. Die Aufgabe des Upstream-Prozesses ist es, aus diesem Chaos klare, verständliche und priorisierte Arbeitspakete (unsere „Stories“) zu machen. Hier finden Discovery, Refinement und die Priorisierung nach echtem Wert statt. Ohne einen sauberen Hafen bekommt deine Inselfabrik entweder Müll oder unklare Aufträge – beides verlangsamt den Flow.

2. Das Team – Deine Wertschöpfungs-Insel

Das ist dein Reich und der Kern des Starter Guides. Sobald eine Story klar definiert ist, zieht sich dein Team sie aktiv per Pull-System. Hier findet die eigentliche Entwicklung und das Testing statt. Dein Board mit seinen WIP-Limits sorgt dafür, dass die Arbeit reibungslos fließt. Du hast diesen Teil bereits optimiert – perfekt!

3. Downstream – Das Festland, wo Wert realisiert wird

Ein Feature ist erst dann wertvoll, wenn es beim Kunden ankommt und genutzt wird. Der Downstream-Prozess umfasst alles, was nach „Development Done“ passiert:

Release, Deployment und die Bereitstellung für den Nutzer. Das Ziel ist, diesen Weg so kurz und reibungslos wie möglich zu gestalten. Wert, der auf Halde liegt, ist kein Wert.

4. Der Feedback-Loop – Die Rückreise der Erkenntnisse

Die Reise endet nicht auf dem Festland. Echte Verbesserung entsteht erst, wenn du lernst, was deine Arbeit beim Kunden bewirkt. Sammle aktiv Kundenfeedback, werte Metriken aus und lasse diese Erkenntnisse direkt zurück in den Hafen (Upstream) fließen. Dieser Kreislauf sorgt dafür, dass du nicht nur Dinge richtig baust, sondern vor allem die richtigen Dinge baust.

Flight Levels – Die Flughöhe wechseln, um das große Ganze zu sehen

Um den Überblick über die gesamte Reise zu behalten, hat Klaus Leopold das Modell der Flight Levels (Flughöhen) entwickelt. Es hilft dir zu verstehen, auf welcher Ebene du gerade optimierst. Dieses Thema habe ich ausführlich in der Folge NBA80 - Flight Level besprochen.

Flight Level 1: Die operative Team-Ebene (Deine Insel)

Das ist die Flughöhe deines Teams. Hier geht es darum, den eigenen Arbeitsprozess zu beherrschen. Der No Bullshit Kanban Starter Guide hat dich zum Piloten auf diesem Level gemacht. Ohne ein stabiles Flight Level 1 ist alles andere wackelig.

Flight Level 2: Die End-to-End-Koordination (Die ganze Reise)

Wir zoomen raus und betrachten den gesamten Wertstrom – vom Hafen über alle beteiligten Inseln (Teams) bis zum Festland. Auf dieser Ebene koordinieren wir die Abhängigkeiten zwischen den Teams und stellen sicher, dass die Arbeit reibungslos von Anfang bis Ende fließt.

Flight Level 3: Die strategische Ebene (Die 30.000-Fuß-Perspektive)

Ganz oben verbinden wir die Arbeit mit der Unternehmensstrategie. Welche großen Initiativen (Züge) sollen überhaupt losfahren? Zahlen unsere Wertströme auf die richtigen Geschäftsziele ein? Hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt.

Flow Metriken – Messen, was wirklich zählt

Um deinen Wertstrom zu verbessern, musst du ihn messen. Vergiss komplexe KPIs. Konzentriere dich auf diese drei einfachen, aber mächtigen Flow-Metriken:

  • Cycle Time: Die wichtigste Metrik. Wie viele Kalendertage vergehen von dem Moment, an dem die Arbeit an einer Story beginnt (Punkt 1 im Kreislauf), bis sie dem Kunden zur Verfügung steht (Punkt 3)? Dein Ziel ist es, die Cycle Time kontinuierlich zu verkürzen und vorhersagbarer zu machen.
  • Durchsatz (Throughput): Wie viele Arbeitselemente liefert dein System pro Zeiteinheit (z. B. pro Woche) aus? Ein stabiler Durchsatz ist ein Zeichen für einen gesunden, vorhersagbaren Flow.
  • Work Item Age: Wie alt ist eine angefangene, aber noch nicht abgeschlossene Aufgabe? Diese Metrik ist dein Frühwarnsystem. Wenn das Alter einer Karte stark ansteigt, steckt sie wahrscheinlich fest und braucht sofortige Aufmerksamkeit.

Kleiner Tipp (Little's Law in der Praxis): Diese Metriken hängen zusammen. Wenn du im Schnitt 10 Items in Arbeit hast (WIP) und dein Durchsatz 2 Items pro Woche beträgt, dann ist deine durchschnittliche Cycle Time 5 Wochen (10 / 2). Willst du schneller werden? Reduziere dein WIP!

Wenn’s kompliziert wird: Fortgeschrittene Praktiken

Sobald dein Wertstrom sichtbar ist, tauchen neue Herausforderungen auf. Hier sind zwei typische Fälle und wie du damit umgehst:

Abhängigkeiten zwischen Teams managen

Selten arbeitet ein Team völlig isoliert. Wenn deine Story auf die Arbeit eines anderen Teams wartet, visualisiere diese Abhängigkeit! Nutzt ein gemeinsames Board auf Flight Level 2, um die Übergaben zu koordinieren. Führt kurze, teamübergreifende Dailies durch, die sich nur auf diese Abhängigkeiten konzentrieren. Ein „Blocker Board“ kann ebenfalls helfen, Hindernisse für alle sichtbar zu machen.

Die Express-Spur für Notfälle (Expedite)

Manchmal muss es einfach brennen. Ein kritischer Produktionsfehler kann nicht warten. Dafür gibt es Serviceklassen wie „Expedite“. Richte eine separate „Express-Spur“ auf deinem Board ein. Aber Vorsicht: Definiert als Team glasklare Regeln, was ein Notfall ist und was nicht. Diese Spur ignoriert oft das normale WIP-Limit, aber jede Nutzung verlangsamt alle anderen Aufgaben. Nutze sie sparsam und bewusst!

Dein Weg zur Meisterschaft

Kanban ist eine Reise, kein Ziel. Hier ist ein einfacher Reifegrad-Pfad, um deine nächsten Schritte zu planen:

  • Stufe 1: Die Insel ist stabil. Du hast den Starter Guide gemeistert. Dein Team-Board läuft, WIP-Limits werden respektiert und ihr habt einen guten Flow.
  • Stufe 2: Der Wertstrom ist sichtbar. Du hast Upstream und Downstream auf deinem Board visualisiert und verstehst die gesamte Reise der Arbeit.
  • Stufe 3: Du steuerst mit Metriken. Du misst Cycle Time und Durchsatz aktiv und nutzt diese Daten, um Engpässe zu identifizieren und Prozessverbesserungen zu validieren.
  • Stufe 4: Der Flow ist unternehmensweit. Ihr managt Abhängigkeiten aktiv auf Flight Level 2 und beginnt, eure Arbeit mit der Strategie auf Flight Level 3 zu verknüpfen.

Kontakt und Feedback

Du hast Fragen, Feedback oder eigene Erfahrungen, die du teilen möchtest? Schreib mir gern eine Nachricht – ich freue mich auf den Austausch!

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