NBA19: Entscheidungen im Team treffen
Shownotes
Über Feedback freue ich mich immer: nobsagile@gmail.com. Ihr erreicht mich auch auf Mastodon unter https://mastodon.social/@nobsagile.
Kommentare und Diskussion gerne hier: https://forum.no-bullshit-agile.de/d/35-nba19-entscheidungen-im-team-treffen
—
Letzte Folge NBA18: Den Kunden mitnehmen
NBA11: Wertvoll: One on One mit Teammitgliedern
Zusammenfassung
In der 19. Folge von No Bullshit Agile diskutiert Thomas, wie herausfordernd es sein kann, Entscheidungen innerhalb eines Teams zu treffen. Oft kommt es zu Schwierigkeiten, weil Diskussionen nicht immer offen sind, dominante Persönlichkeiten sich durchsetzen oder Scheindiskussionen geführt werden. Thomas stellt verschiedene Gründe vor, warum Entscheidungsprozesse stocken können, wie Unsicherheiten oder versteckte Agenden.
Er empfiehlt, Probleme offen anzusprechen und bietet konkrete Methoden zur Verbesserung des Entscheidungsfindungsprozesses an:
Konsens vs. Konsent: Während Konsens die Zustimmung aller Teammitglieder erfordert, prüft Konsent lediglich, ob jemand vehement gegen die Entscheidung ist.
Six Hats: Diese Methode fordert alle Teammitglieder auf, verschiedene Perspektiven (analytisch, emotional, kritisch, optimistisch, kreativ, und auf Meta-Ebene) einzunehmen, um umfassendere Einblicke zu erhalten.
Experimentieren: Entscheidungen können als Experimente betrachtet werden, um nach einer bestimmten Zeit zu bewerten, ob der gewählte Ansatz erfolgreich war.
Thomas betont, dass die Kenntnis der Teamdynamik und der Einsatz geeigneter Methoden entscheidend sind, um Entscheidungsfindungen zu verbessern. Er lädt Hörer ein, ihre eigenen Erfahrungen und Feedback zu teilen.
Transkript
Hallo und herzlich willkommen bei No Bullshit Agile. Mein Name ist Thomas. Ich bin Teil eines agilen Teams und bespreche hier jede Woche Themen aus der agilen Projektwelt. Dabei orientiere ich mich an den großen Kategorien Menschen, Teams, Kunden, Projekte und Agilität. Mein Fokus liegt dabei auf der Praxis, was auch im Namen No Bullshit Agile deutlich wird.
In der letzten Folge habe ich darüber gesprochen, dass man den Kunden auch bei Methoden mitnehmen muss. Wenn dich das interessiert, hör da gerne mal rein. Das hier ist Folge 19, und heute sprechen wir darüber, warum es schwierig sein kann, Entscheidungen in Teams zu treffen.
Ich möchte damit beginnen, was ich mir wünsche: Klar ist, wir kommen immer wieder an einen Punkt, wo wir im Team eine Entscheidung treffen müssen. Zum Beispiel: Mit welcher Technologie wollen wir das nächste Projekt umsetzen? Und eigentlich würde ich mir wünschen, dass dann eine Diskussion im Team stattfindet, in der Vor- und Nachteile abgewogen werden, dass jeder bereit ist, seine Meinung zu äußern und seine Erfahrung einzubringen. Die Diskussion sollte als Chance verstanden werden. Es soll wirklich eine offene Diskussion sein. Ich möchte nicht, dass jemand alleine entscheidet oder eine Einzelperson entscheidet. So machen wir das nicht. Ich will das auf keinen Fall sein, und ehrlich gesagt, möchte ich, dass das ganze Team einen Anteil daran hat.
Gerne hätte ich auch, dass wir nach einer gewissen Zeit – sagen wir mal, das Projekt ist umgesetzt und nach vier Wochen oder während des Projekts – eine Art Bewertung machen, um zu sehen, ob sich unsere Entscheidung bewährt hat. Auch hier sehe ich ganz klar: Ich hätte gerne, dass wir permanent Learnings sammeln. Mit dem heutigen Wissen würden wir es anders machen, also die Learnings dazu einsammeln. Da steckt natürlich super viel „Wünsch dir was“ drin. Ich weiß auch, dass das meiner Erfahrung nach, zumindest in der Praxis, nicht immer funktioniert. Oft genug gibt es viel Schweigen im Raum. Oft genug setzen sich die Lauten durch, diejenigen, die am schnellsten etwas sagen oder am meisten reden. Manchmal findet auch eine Art Scheindiskussion statt – wenn meiner Meinung nach nicht wirklich Ideen verteidigt werden, sondern es wird ein bisschen diskutiert, und dann kommt man schnell zu einem „So machen wir es“ und geht zum nächsten Punkt über. Das ist meiner Meinung nach ziemlich natürlich. Da hat jetzt keiner etwas falsch gemacht. Man könnte erst mal denken, dass man das mit einer guten Moderation hinkriegt, dass Leute nicht schweigen. Aber „Schweigen“ muss nicht sofort heißen, dass jemand nichts sagt. „Schweigen“ kann auch bedeuten, dass jemand nur Dinge sagt, von denen keine Gefahr ausgeht, wo man kein Feedback bekommen kann – also einfach das Wiederholen einer Meinung, von der man das Gefühl hat, dass sie eh die Mehrheit hat. Das wäre für mich tatsächlich auch eine Art von Schweigen.
Schlussendlich geht es bei Entscheidungen darum, mit den Kenntnissen, die wir heute haben, die beste Entscheidung zu treffen. Warum läuft es denn nicht so, wie ich oben bei „Wünsch dir was“ erzählt habe, und warum läuft es oft eher so, wie ich es im zweiten Punkt beschrieben habe? Das hat verschiedene Gründe, wahrscheinlich ist es sogar ein Mix aus all den Gründen.
Der erste Punkt ist, dass du vielleicht selbst Probleme mit Entscheidungen hast. Vielleicht hast du eine Entscheidung getroffen, die nicht so gut war, und hast dafür auf irgendeine Art und Weise „einen draufgekriegt“. Vielleicht tust du dich grundsätzlich schwer mit Entscheidungen. Solche Unsicherheiten übertragen sich natürlich auf andere.
Ein zweiter Punkt ist das Teamgefüge. In jedem Team gibt es immer wieder bestimmte Meinungsmacher – Leute, die eine große Position im Team haben, vielleicht schon lange dabei sind und eine gefestigte Meinung haben. Oft orientiert man sich an diesen Personen. Wenn jemand im Team eine andere Idee für eine Lösung hat und sich nicht traut, etwas dazu zu sagen, weil er Angst hat, dass es eine schlechte Idee ist und er am Ende in der Kritik steht, dann wird das Potenzial im Team nicht genutzt.
Ein dritter Punkt ist, dass Leute tatsächlich eine versteckte Agenda haben können. Es geht nicht darum, dass sie versuchen, etwas durchzusetzen, sondern dass sie Barrieren haben und deshalb bestimmte Entscheidungen nicht anzweifeln oder darüber diskutieren wollen.
Der vierte Punkt ist, dass die Leute vielleicht zu viele negative Erfahrungen mit Entscheidungen gemacht haben. Vielleicht wurde ihnen gesagt, dass sie selbst die Konsequenzen tragen müssen, was dazu führt, dass sie sich zurückziehen oder Stück für Stück zurückziehen. So verlieren wir insgesamt Potenzial.
Das sind mögliche Gründe, warum es zu solchen Situationen kommen kann. Die nächste Frage ist nun, was kann man tun?
Zuallererst würde ich aus meiner Erfahrung und Praxis heraus den Tipp geben, alles offen anzusprechen. Wenn du die Beobachtung hast, dass es ein Problem mit der Entscheidungsfindung gibt, dann sag das dem Team. Normalerweise sollten alle daran interessiert sein, daran zu arbeiten und einen Schritt weiterzukommen. Das Öffnen und das Teilen deiner Beobachtungen macht schon mal eine riesengroße Tür auf.
Dann sollten die nächsten Schritte im Team wirklich besprochen und erklärt werden. Zum Beispiel gibt es Methoden und Möglichkeiten, wie wir zu Entscheidungen kommen können. Hier wäre das Modell von Tuckman das allererste, das ich ansprechen möchte. Ich vermute, das kennt ihr alle. Tuckman beschreibt die Phasen, die ein Team durchläuft. Die erste Phase ist „Forming“, in der sich das Team findet. In dieser Phase sind alle noch nett zueinander, keiner will Konflikte eingehen, und alle tragen eine Art Maske. Nach einer gewissen Zeit geht das Team in die nächste Phase: „Storming“. Die Maske fällt, die Konflikte werden offener, und es kann auch mal zu unangenehmen Worten kommen. Die dritte Phase ist „Norming“, in der sich das Team zusammenreißt und Regeln aufstellt, wie man miteinander umgehen kann. Die vierte Phase ist „Performing“, in der das Team durch diesen Zyklus durch ist und gut miteinander arbeiten kann.
Das Modell ist oft erweitert, es gibt noch „Adjourning“ und andere Phasen. Es geht hier jedoch nur um das Verständnis. Schaut euch an, wo euer Team gerade steht. Jedes Mal, wenn etwas am Team verändert wird – zum Beispiel jemand dazukommt oder geht – beginnt das gesamte Team wieder von vorne. Das sollte man nicht vergessen. Das Modell ist ein Denkmodell, das euch helfen kann, zu reflektieren, wo das Team steht.
Ein weiteres großes Ding ist, ob es offene oder versteckte Konflikte im Team gibt. Gibt es Leute, die mit sich selbst ein Problem haben oder Leute, die untereinander ein Problem haben? Wir sind alle Menschen, keine Maschinen, und daher kann es gut sein, dass es Dinge gibt, die verhindern, dass der eine dem anderen zustimmt und wenigstens so weit geht, zu sagen: „Okay, ich verstehe deine Idee, ich weiß, was du vorschlägst, und ich gehe damit, auch wenn ich eine andere Meinung habe.“ Solche Übereinstimmungen funktionieren nur, wenn die versteckten Konflikte so gut es geht aus dem Weg geräumt sind.
Kommen wir zu den Methoden. Ich habe drei Methoden rausgesucht, die ich in der Praxis anwende und gut finde. Die erste Methode ist Konsens versus Konsent. Konsens bedeutet, dass alle im Team der Entscheidung zustimmen müssen, und solange muss um diese Entscheidung gerungen werden, bis wirklich alle zustimmen. Das Problem daran ist, dass dieser Konsens je nach Phase des Teams schwer zu erreichen sein kann. Die andere Methode ist Konsent. Hier geht es darum, dass eine mögliche Entscheidung getroffen wird, und dann wird gefragt, ob jemand etwas dagegen hat. Es wird nur darauf geachtet, ob jemand vehement widerspricht und sagt: „Nein, damit werden wir Schiffbruch erleiden.“ Das ist deutlich einfacher als Konsens, weil man nicht ständig fragen muss, ob alle zustimmen.
Die zweite Methode, die ich vorstellen möchte, ist die komplexeste, aber auch die, die jeder Person Gehör verschafft. Sie heißt „Six Hats“. Jeder im Team setzt sechs unterschiedliche Hüte auf. Der erste Hut ist der weiße Hut, der analytische Hut. Jeder bewertet die Entscheidung analytisch. Der zweite Hut ist der rote Hut, der emotionale Hut. Hier bewerten wir alles rein emotional. Der dritte Hut ist der schwarze Hut, der kritische Hut. Hier sucht jeder nach Schwächen im Vorschlag. Der vierte Hut ist der gelbe Hut, der optimistische Hut. Der fünfte Hut ist der grüne Hut, der kreative Hut. Der letzte Hut ist der blaue Hut, der Überblick verschafft und auf der Meta-Ebene bleibt. Der Vorteil dieser Methode ist, dass auch die stilleren Personen die Chance haben, ihre Meinung zu äußern, ohne Gesicht zu verlieren. Diese Methode ist zwar komplizierter und zeitaufwendiger, aber sie ermöglicht es jedem, sich einzubringen.
Die dritte Methode ist das Vereinbaren von Experimenten. Wenn ihr im Team offen und ehrlich vereinbart, dass es verschiedene Ansichten zur Lösung eines Problems gibt, könnt ihr einen Ansatz als Experiment betrachten. Ihr geht diesen Weg und prüft nach einer bestimmten Zeit, ob das Experiment erfolgreich war oder nicht. So ist allen klar, dass es sich um eine Versuchsphase handelt und keine endgültige Lösung festgelegt ist.
Es gibt in diesem Bereich noch viele weitere Methoden und Literatur. Ich möchte es für heute dabei belassen.
Zusammenfassung: Wenn ihr in einer Situation seid, in der es schwierig ist, Entscheidungen zu treffen, solltet ihr zunächst auf euch selbst schauen. Gibt es persönliche Probleme mit Entscheidungen? Kannst du an dir selbst etwas ändern, damit es dem Team leichter fällt, Entscheidungen zu treffen? Schaut auf die Teamdynamik: Wo befindet sich das Team? Haben neue Mitglieder Unsicherheit verursacht? Dann kann man anders damit umgehen, als wenn ein bisher gut funktionierendes Team plötzlich Probleme mit Entscheidungen hat. Es gibt Methoden, wie Konsens versus Konsent, Six Hats und das Vereinbaren von Experimenten. Diese Methoden kann man auch mischen. Ihr seid damit nicht alleine; solche Probleme kommen immer wieder vor. Auch 1-on-1-Gespräche können helfen, tiefergehende Probleme zu erkennen.
Ich freue mich auf euer Feedback und eure Erfahrungen. Ihr erreicht mich per E-Mail unter nobsagile@gmail.com, auf Mastodon oder im Forum. Alle Links findet ihr wie immer in den Shownotes. Habt eine tolle Woche und bis zum nächsten Mal. Bye!